„Geschichte ist langweilig“ – das war der Tenor eines großen Teils der Schülerinnen und Schüler im Zusatzkurs Geschichte der Q2, die in diesem Schuljahr verpflichtet sind, Geschichte zu belegen. Dadurch angespornt überlegte die Lehrerin, Frau Pelzer, wie sie die Schüler eines Besseren belehren könnte und sprach sich mit externen Partnern ab.
Als der Kurs nun das Thema „Zweiter Weltkrieg“ besprach, sich den Verlauf des Krieges, die Unterschiede an Ost- und Westfront verdeutlicht hatte, verlegte Frau Pelzer den Unterricht kurzerhand ins Stadtmuseum. Dort hatten die Mitarbeiter im Vorfeld vielfältiges Material zusammengestellt, anhand dessen die Schüler und Schülerinnen nun erarbeiten konnten, welche Konsequenzen der zweite Weltkrieg konkret für Düren hatte: ganz praktisch und anschaulich. In Kleingruppen aufgeteilt beschäftigte sich eine Gruppe intensiv mit Dürens schwärzestem Tag, dem 16. November 1944. Natürlich hatten sie bereits davon gehört, aber nun Überreste in der Hand zu halten, Bilder vorher – nachher anzugucken, das war doch noch einmal etwas anderes. Eine andere Gruppe bekam eine einmalige Gelegenheit: Frau Gerhards, Zeitzeugin der Ereignisse des 16. Novembers war im Museum und ließ die Gruppe an ihren persönlichen Erinnerungen teilhaben. Sie erzählte sehr anschaulich nicht nur von diesem Erlebnis, sondern auch von der Zeit davor, als das Leben in Düren nach den Möglichkeiten des Krieges relativ normal weiterlief. Das bedeutete für sie als sechszehnjährige damals Schule, Geigenunterricht, aber auch Theater- und Konzertbesuche. Der Krieg war insofern für sie präsent, als die meisten Nächte aus Sicherheitsgründen im Keller verbracht wurden sowie die Tatsache, dass die Beleuchtung am Abend und in der Nacht fehlte. „So konnte es in dunklen Nächten passieren, dass man schon einmal gegen einen Baum lief, weil man ihn einfach nicht gesehen hatte“, so ihre Erzählung.
Da eine Doppelstunde gar nicht reichte, war der Kurs auch in der Folgewoche wieder im Museum, um sich nun mit dem Thema Propaganda zu beschäftigen. Auch hier gab es reichlich Anschauungsmaterial, das auch „begreifbar“ war. Es wurden zunächst Propagandafilme gezeigt, die den Schülern und Schülerinnen die Wirkung einzelner Reden verdeutlichte, die ja immer inszeniert waren. Es kam nicht nur auf die Worte als solche an, sondern auch auf die Kulisse, in der sie gehalten wurden. Anschließend tauchten die Jugendlichen in alte Zeitungen ein, um herauszufinden, wie über die zuvor erarbeiteten Kriegsereignisse in der Heimat berichtet wurde. Dabei waren einige über die Unterschiede überrascht. Frau Gerhards, der die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern viel Freude bereitet hatte, so dass sie erneut teilnahm, zog eine Verbindung zu heutiger Berichterstattung und die Überraschung wurde noch ein Stück größer, als so bewusst wurde, dass es heute nicht anders gehalten wird. In der Reflexion sagte ein Schüler, dass es etwas ganz anderes sei, ob über Dinge berichtet wird, die in Berlin oder München passiert sind, oder ob die Ereignisse in der eigenen Heimatstadt geschehen sind.
Nachdem im Anschluss einige Aspekte wieder in der normalen Unterrichtsform besprochen worden waren, sollte auch die Folgezeit wieder ganz praktisch am Beispiel Düren demonstriert werden: Was passierte nach dem zweiten Weltkrieg mit dieser völlig zerstörten Stadt? Wie wurde Düren zu dem, was wir heute kennen?
Um das herauszufinden, verlegte Frau Pelzer den Unterricht nun ins Stadtarchiv, wo Herr Krebs ebenfalls unterschiedlichstes Material für den Kurs zurechtgelegt hatte und die Schüler und Schülerinnen nun mit eigenen Schwerpunktsetzungen recherchieren konnten. Also Arbeiten wie ein Historiker, das war das Stundenthema. Es gab alte Ratsprotokolle, Zeitungsmeldungen, Fotos zu betrachten. Daneben hatten sich schon andere Dürener mit diesem Thema beschäftigt, so dass es auch Bücher und Staatsarbeiten gab, mit deren Hilfe man die Fragen zu beantworten versuchte. Erneut zeigten sich die Schüler und Schülerinnen von dieser anderen Herangehensweise an das Thema angetan.
Zum Abschluss des Projekts „Dürens Geschichte im Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit“ konnten wir an einer Führung der unteren Denkmalspflege teilnehmen. Frau Kussinger-Stankovic traf den Kurs am Kaufhof und nahm ihn mit auf eine Zeitreise in das Düren der Nachkriegszeit. Überrascht waren die Schüler, als sie hörten, dass die Städteplaner ganz froh über die Zerstörung waren, hatten sie so doch die einmalige Gelegenheit, das in ihren Augen völlig verbaute Düren in einer vernünftigen Art und Weise wieder aufzubauen. Dies gelang in der Wirtelstraße noch nicht ganz, aber in der Kölnstraße öffnete uns Frau Kussinger-Stankovic die Augen und wir sahen die einheitliche Umsetzung der Vorgaben. Auch Abweichungen von der allgemeinen Form waren demnach durchaus gewollt, um keine Monotonie aufkommen zu lassen. Auf dem Markplatz ging es dann um das Thema „Licht“. Nach der dunkeln Zeit (s. Frau Gerhardts) sehnten sich die Menschen nach Licht und Farben. Dies wurde in geschwungener Leuchtreklame, farbigen Fassaden und offenen Treppen deutlich. Das Geschwungene dieser Zeit sollte im Kontrast zu den starren, zackigen Formen der NS-Zeit stehen. Plötzlich wurden die Namen „Peters“ und „Heusgen“ bewusst wahrgenommen, ebenso wie die „Kunst am Bau“, die Reklame für das Lederwarengeschäft auf der Hauswand mit Hilfe der Verkleidung – oft gesehen, nie hinterfragt.
Den nächsten Stopp legten wir am Kaiserplatz ein, um das Rathaus genauer in Augenschein zu nehmen. Nun erfuhren wir, dass sich in diesem Gebäude mittelalterliche Elemente (erhöhter Eingang, Uhr, Brunnen) und moderne Elemente (Bauweise, helles, rundes Treppenhaus etc.) vereinen. Auch die Verzierung mit den schwarz-gelben Mosaiken ist nicht zufällig gewählt. Neben den Stadtfarben wird dadurch erneut das Lichte der neuen Zeit unterstrichen. Nach dem konzentrierten Blick auf das Rathaus wurde die Bebauung ringsum betrachtet und plötzlich fiel uns – nach erneutem Hinweis – auf, dass hier nur eine Seite verputzte Häuser hat, während die gegenüberliegende Seite verklinkert wurde und sich der Turm des Rathauses auf der anderen Seite in drei Spitzdächern widerspiegelt.
Unsere Aufmerksamkeit wurde beim Gang Richtung Pesch-Schule auf die Säuleneingänge und die aufgebrochenen Ecken gelenkt. Ebenso sollten wir die Haustüren betrachten, in denen der Zeitgeist erkennbar wird: hell – geschwungen – Materialmix. Die Zeit drängte und wir machten nur noch selten Stopp, auch wenn es im grünen Innenstadtteil rund um den Steinweg, dem ehemals engen, muffigen ältesten Stadtteil, sicher noch mehr zu sagen gab. Doch die Annakirche sollte natürlich noch Bestandteil der Führung sein. So berichtete uns Frau Kussinger-Stankovic von dem Architekten-Wettbewerb zum Wiederaufbau der schwer zerstörten Kirche. Rudolf Schwarz gewann die Ausschreibung und legte in seinem Plan besonderen Wert auf die Beschützer-Rolle der Anna sowie Licht und Schatten, die sich auch beide in der Bauweise zeigen. Das Ergebnis ist Anziehungspunkt für viele Pilger, aber auch Architekturstudenten. Im Kircheninneren konnten nur noch wenige Aspekte angesprochen werden, da die Zeit leider schon vorbei war. Dennoch ließen wir es uns nicht nehmen, gemeinsam an der Außenmauer nach einem Steinmetz-Zeichen zu suchen, das jeder Steinmetz im Mittelalter individuell auf seiner Arbeit festhielt, damit er seine Arbeit auch bezahlt bekam. Einmal gefunden fragte man sich, warum es nicht früher bemerkt wurde.
Rückmeldung der Schüler zu diesem abschließenden Teil war, dass die Führung eine gelungene Abrundung der Gesamtveranstaltung gab, auch wenn es leider nur einen kleinen und zum Teil gehetzten Einblick in die Dürener Geschichte gab. Die Schüler hätten gerne noch mehr über die Stadt erfahren, in der sie sich so oft aufhalten und von der sie doch so wenig wissen!Geschichte – ganz nah und eng am eigenen Erleben – war plötzlich doch nicht mehr langweilig!
A. Pelzer
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